Das vorliegende Büchlein ist das vierte in einer Reihe ähnlich aufgemachter kleiner Liedauswahlen, die seit 2007 im Verlag der Franckeschen Stiftungen und im ortus musikverlag erschienen sind. Nunmehr werden 23 deutsche Kirchenlieder beziehungsweise geistliche Gesänge dargeboten, die sich zu Zeugen für die Ausbildung und Festigung eines in das aufstrebende Kirchenlied reichenden melodischen ‚Jargons‘ auf der Grundlage „böhmischen“ Repertoires dem Verständnis unserer Definition nach aufrufen lassen. Anhand der getroffenen Auswahl wird versucht, Sachlagen und Entwicklungen als Schritte in Richtung einer Verständnisgrundlage der Kirchenlied-Melodik des 16. Jahrhunderts zu vermitteln, als Bestätigung deren Abrundung, Vorhandenseins und veränderten Weiterlebens. Das schließt hier und dort Zeugnisse von Verbeugungen vor der Historie, greifbare Berücksichtigung von Kenntnissen bis hin zum Spiel mit ihnen ein. So scheinen Entwicklungen auch keineswegs selten über einzelne konkrete Melodien oder gar deren Texte zu laufen. [...]
Im Ersten Teil erscheinen die Gesänge selber, einige sogar in mehr als einer Fassung. Manches aus dieser Zusammenstellung gehört zum schlechthin Vertrautesten, was wir an Kirchenliedern haben, wenn auch nicht jedes Mal in den hier mitgeteilten Versionen. Anderes ist gewiss heute kaum mehr bekannt, und zumindest zum Teil gewiss nicht ohne Grund. Im Zweiten Teil dann werden die Lieder in kurzen Beiträgen gemäß unserem Vorhaben als Wegmarken zur Ausbildung eines Repertoires und dessen Verständlichkeit dargestellt. Die Abfolge der Wiedergaben vorn ist dabei dahingehend eingerichtet, dass sich die Ausführungen im zweiten Teil zu zehn Kapiteln anordnen lassen.
So weit wie möglich herangezogen sind Johann Crügers PRAXIS PIETATIS MELICA, Berlin seit 1640, und das Geistreiche Gesangbuch des Johann Anastasius Freylinghausen (1670–1739), Halle seit 1704. Beide Gesangbuchreihen, Franckes Anstalten vielfältig verbunden und Editions- und Forschungsschwerpunkte der heutigen Franckeschen Stiftungen, bestätigen bereits für sich die kulturhistorische Gesamtlage, um die es hier gehen soll.
Hans-Otto Korth (aus der Einführung)