Agostino Poli (1739–1819) war Hofmusiker und von 1782 bis 1792 Kapellmeister am württembergischen Hof. Als er im Jahr 1761 als junger Violoncellist in Stuttgart ankam, spielte er noch unter der Leitung Niccolò Jommellis. Kurze Zeit später wurde er in höfische Dienste übernommen, als eine Stelle im Hoforchester frei geworden war. Allerdings stand es um die Finanzierung der Hofkapelle nicht sonderlich gut. Herzog Carl Eugen (reg. 1737-1793) wurde durch die Landschaft - die Vertretung von Geistlichkeit und Bürgertum - genötigt, seine horrenden Ausgaben im Bereich der Oper und des Theaters einzuschränken, sodass dieser die Struktur des Hoforchesters grundsätzlich überdachte. Bei der Ausbildung geförderte Landeskinder sollten die teilweise hervorragend bezahlten ausländischen Musiker ersetzen und so die Landschaft beruhigt werden. Poli zählt zu den äußerst wenigen Virtuosen, die nicht nur diese Reduktion des Orchesters überstanden, sondern zuerst als Konzertmeister und später als Kapellmeister auf sich aufmerksam machen konnten. […]
Der Virtuose und Komponist in herzoglich-württembergischen Dienst Agostino Poli reiste mindestens einmal nach Paris und veröffentlichte dort Quartette und Quintette. Als er spätestens ab 1775 an der expandierenden Karlsschule in den Lehrdienst eingebunden wurde, hatte er seine Aufgaben als Konzertmeister und Lehrer in Einklang zu bringen. Er vertonte einige kurze Opern, die zu Ehren Franziskas von Hohenheim – der zweiten Ehefrau Carl Eugens – stets an ihrem Geburtstag am 10. Januar aufgeführt wurden. Darüber hinaus darf vermutet werden, dass Poli eine Vielzahl von Kompositionen für seine Schüler schrieb. Erhalten sind allerdings nur sehr wenige. Mitunter mag dafür der Streit des Herzogs mit Niccolò Jommelli verantwortlich gewesen sein, da der Hofkapellmeister bei seinem Abschied 1769 seine Opern mit nach Italien nehmen wollte. Infolgedessen wurde entschieden, dass Kompositionen von Kapellmitgliedern nur mit Genehmigung des Herzogs veröffentlicht werden durften und Poli hauptsächlich im Rahmen seines Dienstes komponieren sollte. Erst nachdem Poli 1819 verarmt in Venedig gestorben war, versuchten seine Frau und ihr Sohn dessen Werke und Manuskripte zu verkaufen. Ob sie dabei erfolgreich waren, ist nicht bekannt.
Das vorliegende „Gran Concerto“ lässt sich bisher nicht genauer datieren, jedoch deutet einiges darauf hin, dass es nach 1774 und vor 1782 entstanden ist. Die abnehmende Produktivität Polis seit seiner Anstellung als Kapellmeister 1782 spricht gegen eine spätere Entstehung. Die Besetzung des Konzertes lässt an die Schüler denken, die Poli an der (seit 1781: Hohen) Karlsschule mit hoher Wahrscheinlichkeit unterrichtete. Seine Celloklasse bestand aus Johann Rudolph Zumsteeg (1760-1802), Johann Kauf(f)mann (1759-1834, dem späteren Schwiegersohn Christian Friedrich Daniel Schubarts) und Ernst Häussler (1761-1837). Gut vorstellbar ist, dass auch Johann Philipp Mohl (1757-1817) als Fagottist mitwirkte. Da das einzig erhaltene Manuskript im Nachlass Zumsteegs aufbewahrt wird, ist wohl davon auszugehen, dass dieser als Solocellist mitgewirkt hatte und seine Mitschüler ebenfalls damit aufgetreten waren. Die genaueren Umstände der Komposition sind unbekannt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Werk zu einem besonderen Anlass, möglich wäre der Besuch Kaiser Josephs II. im Jahr 1777 in Stuttgart oder die Erhebung der Karlsschule zur Universität 1782.
Aus dem Vorwort von Johannes Sturm