Als dem frischgebackenen Hamburger Musikdirektor Telemann im Frühjahr 1722 durch ein Pächtergremium die musikalische Leitung der Hamburger Oper angetragen wurde, konnte er aus vollem Herzen zusagen. Für Telemann, der nun Musikdirektor des ältesten und renommiertesten freien Opernhauses nördlich der Alpen geworden war, eröffnete das Engagement die Möglichkeit, an diesem traditionsreichen Ort neue Formen der dynamischen Gattung auszuprobieren und seine Opernästhetik weiterzuentwickeln. Tatsächlich avancierte in der Folge die Hamburger Oper zu einem Haus mit dem europaweit interessantesten, weil vielfältigsten Repertoire, das italienische und französische Werke ebenso enthielt wie Opern von Händel, Keiser und jüngeren Meistern. In diesen zeitlichen, örtlichen und ästhetischen Zusammenhang gehört Telemanns 1726 uraufgeführter Orpheus, mit dem er sprachlich und musikalisch den Versuch unternahm, an einem besonders musikimmanenten Sujet, wie es der Orpheus-Mythos darstellt, die Vorzüge der italienischen und französischen Oper mit der Tradition der deutschen Vokalmusik zu einem Ganzen zu verbinden.
Hörbeispiel: Arie der Orasia "Sú mio core, a la vendetta"
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg / Philharmonische Akademie 2017 / Ltg.: Kent Nagano / Sopran: Marie-Sophie Pollak