[…] Der zufällige Fund der großartigen Toccata d-Moll (Nr. 2), die bis heute weder der Forschung bekannt noch ediert war, bot den unverhofften Anlass für eine Beschäftigung mit der Appendix Scarlattiana. Dabei stellte sich bald heraus, dass noch immer zahlreiche Scarlatti zugeschriebene Clavierwerke so gut wie unbekannt sind und einer kritischen Veröffentlichung harren. Die vorliegende Edition soll in zwei Heften 16 der interessanteren von diesen unbeachteten Kompositionen Scarlattis einem größeren Publikum bekannt machen, auch wenn ihre Authentizität bisweilen unsicher ist – und bleiben wird. Als Kriterium gilt, dass es sich entweder um Neufunde und unveröffentlichte Kompositionen oder um bisher nur an entlegenem Ort veröffentlichte oder interessante Varianten handelt. Es wurden überwiegend solche Werke ausgewählt, die mit guten Argumenten Domenico Scarlatti zugeschrieben werden können: die also in Handschriften überliefert sind, welche möglichst zu Lebzeiten des Komponisten entstanden sind, deren Provenienz und Überlieferungskontext auf eine Entstehung in Neapel, Lissabon oder Madrid hinweist und deren Zuverlässigkeit sich durch Konkordanzen plausibel machen lässt. Dazu kommen stilistische Übereinstimmungen entweder mit dem großen Vorbild des Vaters oder mit den späteren Sonaten aus der Zeit in Madrid. Auch Fassungsvarianten bekannter Sonaten werden abgedruckt, sei es nun, dass sie auf den Komponisten selbst, sei es, dass sie auf spätere Bearbeiter oder Herausgeber zurückgehen, denn diese besitzen ihren eigenen Reiz für den Forscher als auch für den Interpreten. […]
Aus dem Vorwort von Carsten Wollin
