Produktdetails

ortus studien
om74 / Band 4
Gerhard Poppe
Festamt, sinfonische Messe oder überkonfessionelles Bekenntnis?
Studien zur Rezeptionsgeschichte von Beethovens Missa solemnis
om74
ISBN 978-3-937788-12-8
Broschur, 554 Seiten mit Abbildungen
inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten 54,00 EUR

Beethovens Missa solemnis gilt seit ihrer Entstehung und Drucklegung als gleichermaßen bewundertes und umstrittenes Ausnahmewerk, für dessen Verständnis weder allgemeine Gattungsmerkmale noch das übrige, vorwiegend instrumentale Schaffen des Komponisten eine geeignete Basis boten. Enorme technische Anforderungen an Sänger und Instrumentalisten, aber auch die vermeintlich geringe Zahl der Aufführungen in den ersten Jahrzehnten nach Beethovens Tod trugen nicht unwesentlich zu ihrer Aura bei. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bestimmten die Vorstellung von einer Säkularisierung der Gattung und Erklärungen als persönliches Bekenntnis des Komponisten in verschiedenen Versionen sowohl die wissenschaftliche Diskussion als auch die populäre Literatur. Solche Theoreme entstanden aber kaum aus einem angemessenen Umgang mit den Besonderheiten des Werkes, sondern füllten eher die Lücken in einem bereits feststehenden Beethovenbild, in das sich die Missa solemnis nur mit Mühe einfügen ließ.

Angesichts dieser Ausgangssituation führt die Darstellung der Rezeptionsgeschichte zunächst zu dem Ergebnis, daß Beethovens zweite Messe in den Jahrzehnten nach dem Tod des Komponisten wesentlich öfter erklang als bisher angenommen wurde. Dazu gehörten mit großer Selbstverständlichkeit eine Reihe von Aufführungen im Hochamt, die der allgemeinen Meinung entgegenstehen, das Werk sprenge den liturgischen Rahmen. Erst der Siegeszug restaurativer Reformbestrebungen in der Kirchenmusik, verbunden mit dem verbreiteten Bild des „Pantheisten“ Beethoven, drängte diese Praxis in den Hintergrund. In der Konsequenz dieser Entwicklung erweist sich die Vorstellung, die Missa solemnis sei von Anfang an für den Konzertsaal vorgesehen gewesen, als Ergebnis einer bestimmten Rezeptionstradition, während die verstreuten Aussagen des Komponisten zu Kirchenmusik und Religion bei näherem Hinsehen eine solche Schlußfolgerung keinesfalls nahelegen. Aus der Darstellung der Rezeptionsgeschichte ergibt sich damit eine völlig neue Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Werk.

Rezension

FAZ, 07.11.2008, Nr. 261, S. 37; Autor: Hans Maier

Zurück