Die Praxis der politischen Instrumentalisierung von Musik reicht weit in die Vergangenheit zurück und bis in die Gegenwart hinein. Nicht anders verhält es sich mit der politisch-ideologischen Indienstnahme von Geschichte. Vielleicht nicht ganz so alt ist die Praxis, diese beiden ganz unterschiedlichen, aber ähnlich wirkmächtigen Medien der Einflussnahme miteinander zu verknüpfen, um politische und ideologische Vorstellungen und Ziele zu propagieren und durchzusetzen. Diese Praxis nimmt ihren Anfang mit der Ausprägung eines Repertoires historischer Musik, dem man überzeitliche Gültigkeit zuspricht. Indem man diese Werke und Komponisten kanonisiert und sie damit gleichsam der Vergangenheit enthebt, macht man sie für die (jeweilige) Gegenwart, ihre Ideologie und Politik nutzbar. Auf der Grundlage der Quellen und Daten zur Rezeption Händels wird im Band der Versuch unternommen, die Formen, Strategien und Funktionsweisen der politisch-ideologischen Instrumentalisierung von Musik der Vergangenheit im Deutschland des 20. Jahrhunderts zu systematisieren, sie vergleichend zu beschreiben und zu analysieren. Händel gilt in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert als eine zentrale Figur des musikalischen Erbes. Zugleich wurde er von seinen eigenen Lebzeiten an – darin vielleicht nur noch mit Beethoven vergleichbar – als ‚politischer‘ Komponist begriffen und immer wieder politisch-ideologisch instrumentalisiert, besonders augenfällig in den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Die Quellenforschung, die ergänzend zu früheren Studien im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgenommen wurde, brachte weitere Dokumente und Daten zur Händel-Rezeption zum Vorschein.
Eine Rezension zum Band von Peter Sühring: info-netz-musik.